Geldanlage
Steuern auf Aktien und ETFs: Der vollständige Leitfaden zu Abgeltungssteuer und Vorabpauschale
Lesedauer: 12 Minuten
19.09.2025
Warum dieser Leitfaden dein finanzielles Leben verändern kann
Mit dem ersten Job als Assistenzärztin oder Assistenzarzt landet endlich das erste richtige Gehalt auf dem Konto. Der Wunsch nach Vermögensaufbau wächst, das erste Depot wird eröffnet, die ersten ETFs gekauft. Doch spätestens beim ersten Steuerbescheid folgt die Ernüchterung: Die tatsächliche Rendite fällt deutlich niedriger aus als erhofft. Der Grund? Die oft unterschätzte Kapitalertragssteuer.
Dieser Leitfaden führt dich systematisch durch das deutsche Steuersystem für Kapitalerträge. Du erfährst nicht nur, welche Steuern anfallen, sondern vor allem, welche legalen Möglichkeiten du hast, deine Steuerlast zu minimieren. Am Ende wirst du konkret wissen, wie du hier Steuern sparen kannst - ohne komplizierte Tricks oder fragwürdige Gestaltungen.
Bitte beachte, dass dieser Artikel keine steuerliche Beratung darstellt. Bei wichtigen Entscheidungen konsultiere unbedingt vorab deine Steuerberatung.
Abgeltungssteuer verstehen - So schmälert sie deine Rendite
Das 25-Prozent-Märchen und die tatsächliche Belastung
Die meisten Anleger kennen die Zahl: 25% Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Doch diese Zahl erzählt nur einen Teil der Geschichte. Tatsächlich liegt deine Steuerbelastung deutlich höher, und das hat konkrete Auswirkungen auf deine Rendite.
Rechnen wir einmal durch: Als Fachärztin für Innere Medizin erzielst du gemeinsam mit deinem Ehepartner 20.000 Euro Kapitalerträge im Jahr. Nach Abzug des gemeinsamen Sparer-Pauschbetrags von 2.000 Euro bleiben 18.000 Euro zu versteuern. Darauf fallen zunächst 25% Abgeltungssteuer an - macht 4.500 Euro. Der Solidaritätszuschlag von 5,5% schlägt mit weiteren 247,50 Euro zu Buche. Als Kirchenmitglied kommen noch 8% der Abgeltungssteuer hinzu, also 360 Euro. Die Gesamtbelastung beträgt somit 5.107,50 Euro oder effektiv 28,4% deiner Kapitalerträge.
Diese Zahlen solltest du kennen, denn sie bestimmen, wie viel von deiner Bruttorendite tatsächlich bei dir ankommt. Bei einer durchschnittlichen Aktienrendite von 7% pro Jahr bleiben dir nach Steuern nur etwa 5% - ein wirklich erheblicher Unterschied für den langfristigen Vermögensaufbau.
Als Standardwerk im Zusammenhang mit Steuern und Steueroptimierung können wir dir das Buch Steuern steuern: Mit der richtigen Strategie zu Vermögen und Wohlstand* von David Kasper und Johann Körber empfehlen.
Versteckte Unterschiede zwischen verschiedenen Anlageformen
Nicht alle Kapitalerträge werden steuerlich gleich behandelt, und genau hier liegt Optimierungspotenzial. Dividenden unterliegen sofort der Besteuerung. Schüttet beispielsweise Siemens 100 Euro aus, behält deine Bank automatisch etwa 28 Euro ein. Du siehst nur 72 Euro auf deinem Konto.
Bei thesaurierenden ETFs greift hingegen die Vorabpauschale. Diese berechnet sich aus dem Fondsvolumen zu Jahresbeginn, multipliziert mit 70% des Basiszinses. Klingt kompliziert? Ein Beispiel macht es deutlich: Bei einem ETF-Vermögen von 50.000 Euro und einem Basiszins von 2,5% beträgt die theoretische Vorabpauschale 875 Euro (50.000 × 2,5% × 70%). Allerdings gilt die tatsächliche Wertsteigerung als Obergrenze - steigt dein ETF nur um 500 Euro, zahlst du auch nur darauf Steuern.
Kursgewinne werden erst beim Verkauf besteuert. Das gibt dir bessere Kontrolle über den Zeitpunkt der Besteuerung - ein mächtiges Werkzeug für die Steueroptimierung.
Der Sparer-Pauschbetrag - 1.000 Euro steuerfrei nutzen
So nutzt du diesen Freibetrag optimal
Der Sparer-Pauschbetrag gewährt dir 1.000 Euro steuerfreie Kapitalerträge pro Jahr (2.000 Euro für Verheiratete). Das entspricht bei voller Ausnutzung einer Steuerersparnis von etwa 280 Euro jährlich - Geld, das besser in deinem Depot arbeitet als beim Finanzamt.
Eine Assistenzärztin im ersten Berufsjahr mit 25.000 Euro Erspartem könnte diese beispielsweise in einen ausschüttenden ETF mit 4% Dividendenrendite investieren. Die jährlichen Dividenden von 1.000 Euro bleiben durch den korrekt eingerichteten Freistellungsauftrag komplett steuerfrei. Ohne Freistellungsauftrag würden hingegen etwa 280 Euro Steuern anfallen.
Die Einrichtung eines Freistellungsauftrags dauert nur wenige Minuten. Du benötigst lediglich deine Steuer-ID und kannst den Auftrag meist online bei deiner Bank hinterlegen. Der Auftrag gilt automatisch für alle Folgejahre, kann aber jederzeit angepasst werden.
Strategische Aufteilung bei mehreren Depots
Viele Ärztinnen und Ärzte unterhalten mehrere Konten und Depots. Die Kunst besteht darin, den Pauschbetrag optimal auf diese zu verteilen. Dabei hilft eine simple Jahresplanung.
Ein praktisches Vorgehen: Dr. Mustermann, Assistenzarzt in der Chirurgie, erwartet 600 Euro Dividenden bei Trade Republic, 300 Euro Zinsen auf seinem ING-Tagesgeldkonto und 200 Euro Dividenden aus seinem Sparkassen-Depot. Er teilt seinen Freibetrag entsprechend auf: 600 Euro bei Trade Republic, 300 Euro bei der ING, 100 Euro bei der Sparkasse. So verschenkt er keinen Cent seines Freibetrags.
Wichtiger Hinweis: Die Summe aller Freistellungsaufträge darf deinen persönlichen Höchstbetrag nicht überschreiten. Das Finanzamt prüft dies automatisch und kann bei Verstößen Bußgelder verhängen. Eine jährliche Überprüfung im November hilft, die Aufteilung für das Folgejahr optimal anzupassen.
Verluste als Steuerspar-Instrument nutzen
Verlustverrechnungstöpfe verstehen
Das deutsche Steuersystem unterscheidet strikt zwischen zwei Verlustverrechnungstöpfen. Der allgemeine Verlusttopf sammelt Verluste aus allen Kapitalanlagen außer Aktien - beispielsweise aus Anleihen, Zertifikaten oder negativen Zinsen. Der Aktienverlusttopf hingegen ist ausschließlich für Verluste aus Aktienverkäufen reserviert.
Diese Trennung hat weitreichende Konsequenzen: Aktienverluste lassen sich ausschließlich mit Aktiengewinnen verrechnen, nicht jedoch mit Dividenden oder Zinserträgen. Umgekehrt können Verluste aus dem allgemeinen Topf nicht zur Verrechnung mit Aktiengewinnen herangezogen werden.
Ein konkretes Rechenbeispiel verdeutlicht den Effekt: Dr. Musterfrau, Fachärztin für Anästhesie, erlitt im März einen Verlust von 2.000 Euro mit einer Pharma-Aktie. Im September realisierte sie 3.000 Euro Gewinn mit Tech-Aktien. Durch die automatische Verlustverrechnung zahlt sie nur auf den Saldo von 1.000 Euro Steuern - etwa 280 Euro statt 840 Euro. Die Ersparnis beträgt 560 Euro.
Tax-Loss-Harvesting richtig einsetzen
Tax-Loss-Harvesting bezeichnet das gezielte Realisieren von Verlusten zur Steueroptimierung. Diese Strategie erfordert Timing und Planung, kann aber erhebliche Steuerersparnisse bringen.
Angenommen, du hast im laufenden Jahr 5.000 Euro Gewinn mit Tech-Aktien realisiert. Gleichzeitig notiert deine Position in Automobilaktien 2.000 Euro im Minus. Verkaufst du die Verlustposition vor Jahresende, reduziert sich deine zu versteuernde Summe auf 3.000 Euro. Die Steuerersparnis beträgt etwa 560 Euro.
Beachte dabei unbedingt die Spekulationsfrist: Kaufst du dieselben Aktien innerhalb von 31 Tagen zurück, kann das Finanzamt dies als Gestaltungsmissbrauch werten. Plane solche Transaktionen daher sorgfältig und dokumentiere die steuerlichen Beweggründe.
Für Depots bei verschiedenen Banken gilt: Beantrage bis zum 15. Dezember eine Verlustbescheinigung. Damit kannst du Verluste bei einer Bank mit Gewinnen bei einer anderen in der Steuererklärung verrechnen.
ETFs und die Vorabpauschale
So funktioniert die Vorabpauschale tatsächlich
Die Vorabpauschale stellt sicher, dass auch thesaurierende Fonds jährlich besteuert werden. Die Berechnung folgt einer klaren Formel: Fondswert zu Jahresbeginn × Basiszins × 70%. Der Basiszins wird jährlich von der Bundesbank festgelegt und orientiert sich an der Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen.
Konkret bedeutet das für dich: Bei einem ETF-Vermögen von 100.000 Euro und einem Basiszins von 2,5% beträgt die Vorabpauschale theoretisch 1.750 Euro (100.000 × 2,5% × 70%). Allerdings bildet die tatsächliche Wertsteigerung die Obergrenze. Steigt dein ETF nur um 1.000 Euro, fällt auch nur darauf die Vorabpauschale an.
Für Aktien-ETFs mit einer Quote über 51% gilt zusätzlich eine Teilfreistellung von 30%. Nur 70% der Vorabpauschale unterliegen der Besteuerung. Bei unserem Beispiel wären das 1.225 Euro zu versteuernde Erträge, was einer Steuerlast von etwa 340 Euro entspricht - lediglich 0,34% deines Vermögens.
Ausschütter oder Thesaurierer - Die richtige Wahl treffen
Ausschüttende ETFs zahlen regelmäßig Dividenden aus. Du siehst das Geld auf deinem Konto, musst aber sofort Steuern zahlen. Von 1.000 Euro Ausschüttung bleiben nach Steuern nur etwa 720 Euro. Der psychologische Vorteil der regelmäßigen Zahlungen wird durch den steuerlichen Nachteil erkauft.
Thesaurierende ETFs reinvestieren alle Erträge automatisch. Die Besteuerung erfolgt zunächst nur über die meist niedrigere Vorabpauschale. Der Hauptvorteil liegt im ungebremsten Zinseszinseffekt - dein Vermögen wächst schneller, da weniger Kapital für Steuerzahlungen abfließt.
Für junge Ärztinnen und Ärzte mit langem Anlagehorizont empfehlen sich meist thesaurierende ETFs. Der Vermögensaufbau profitiert maximal vom Zinseszinseffekt. Im Ruhestand, wenn regelmäßige Einkünfte gewünscht sind, kannst du einfach regelmäßig eine geringe Anzahl an Anteilen verkaufen, um so deine Lebenshaltungskosten zu decken.
Die Teilfreistellung macht beide Varianten attraktiver: Bei Aktien-ETFs bleiben 30% der Erträge steuerfrei, bei Immobilienfonds mit ausländischem Fokus sogar 80%. Diese Vergünstigung gilt unabhängig von der Ausschüttungspolitik.
Wenn du dich eingehender mit dem Thema Besteuerung von ETFs beschäftigen möchte, empfehlen wir dir das Buch Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs* von Gerd Kommer.
Internationale Investments und die Quellensteuer
US-Aktien und das W-8BEN-Formular
Dividenden aus US-Aktien unterliegen zunächst einer Quellensteuer von 30%. Ohne weitere Maßnahmen zahlst du diese zusätzlich zur deutschen Abgeltungssteuer - eine erhebliche Doppelbelastung.
Das W-8BEN-Formular reduziert die US-Quellensteuer auf 15%, die dann auf deine deutsche Steuerschuld angerechnet wird. Ein Rechenbeispiel verdeutlicht den Unterschied: Dr. Musterfrau, Fachärztin für Radiologie, erhält 2.000 Euro Dividenden aus US-Aktien. Ohne W-8BEN zahlt sie 600 Euro US-Quellensteuer plus etwa 400 Euro deutsche Steuer. Mit W-8BEN reduziert sich die Gesamtbelastung auf etwa 530 Euro - eine Ersparnis von 470 Euro jährlich.
Die meisten deutschen Broker stellen das W-8BEN-Formular online zur Verfügung. Einmal ausgefüllt, gilt es für drei Jahre und erneuert sich bei vielen Brokern automatisch.
Der Umgang mit Schweizer und anderen ausländischen Aktien
Die Schweiz erhebt 35% Quellensteuer auf Dividenden. Durch das Doppelbesteuerungsabkommen kannst du 20% zurückfordern, sodass effektiv nur 15% Quellensteuer verbleiben. Der Rückforderungsprozess erfordert das Formular 85, das vom deutschen Finanzamt bestätigt und an die Eidgenössische Steuerverwaltung geschickt werden muss.
Der bürokratische Aufwand und die Bearbeitungszeit von 6-12 Monaten stehen oft in keinem Verhältnis zur Rückerstattung. Bei einer Position von 10.000 Euro in Nestlé-Aktien mit 3% Dividendenrendite beträgt die Rückerstattung lediglich 60 Euro jährlich. Als vielbeschäftigte Assistenzärztin oder Oberarzt solltest du abwägen, ob sich der Zeitaufwand lohnt. Man könnte auch einfach direkt in einen Schweiz-ETF investieren, wobei der ETF-Anbieter dann die Quellensteuerrückforderung abnimmt.
Praktischer Tipp: Führe eine Excel-Tabelle mit allen ausländischen Dividenden und einbehaltenen Quellensteuern. Dies erleichtert nicht nur die Steuererklärung, sondern hilft auch bei der Entscheidung, welche Rückerstattungen sich lohnen.
Die Günstigerprüfung - Besonders relevant für Berufseinsteiger und Studierende
Wann dein persönlicher Steuersatz Vorteile bringt
Die Günstigerprüfung ermöglicht es, Kapitalerträge zum persönlichen Steuersatz zu versteuern, wenn dieser unter 25% liegt. Besonders Berufseinsteiger profitieren davon erheblich.
Ein typisches Szenario: Du beginnst als Assistenzärztin im Juli deine erste Stelle. Mit einem halben Jahresgehalt von 30.000 Euro liegt dein Durchschnittssteuersatz bei etwa 15%. Hast du zusätzlich 2.000 Euro Kapitalerträge erzielt, würden darauf normalerweise etwa 530 Euro Steuern anfallen. Mit Günstigerprüfung reduziert sich die Belastung auf 300 Euro - eine Ersparnis von 230 Euro.
Auch in besonderen Lebenssituationen lohnt sich die Prüfung: Elternzeit, Teilzeitarbeit, Sabbatical oder der Übergang in den Ruhestand führen oft zu einem niedrigeren persönlichen Steuersatz.
Der korrekte Antrag in der Steuererklärung
Die Günstigerprüfung erfolgt nicht automatisch - du musst sie aktiv beantragen. In der Anlage KAP deiner Steuererklärung findest du das entsprechende Ankreuzfeld. Das Finanzamt prüft dann, welche Variante für dich günstiger ist.
Wichtig dabei: Alle Kapitalerträge müssen vollständig deklariert werden, auch bereits versteuerte. Sammle dafür sämtliche Jahressteuerbescheinigungen deiner Banken, die meist im ersten Quartal des Folgejahres automatisch bereitgestellt werden.
Als Faustregel gilt: Bei einem zu versteuernden Einkommen unter 20.000 Euro lohnt sich die Günstigerprüfung fast immer. Aber auch bei höheren Einkommen kann sie in Übergangsjahren sinnvoll sein.
Kryptowährungen - Eigene Regeln, große Chancen
Kryptowährungen fallen nicht unter die Abgeltungssteuer, sondern gelten als private Veräußerungsgeschäfte. Der entscheidende Vorteil: Nach einer Haltedauer von einem Jahr sind Gewinne komplett steuerfrei - unabhängig von der Höhe.
Innerhalb der Einjahresfrist unterliegen Gewinne deinem persönlichen Einkommensteuersatz. Für gut verdienende Fachärztinnen und Fachärzte bedeutet das oft eine höhere Belastung als die 25% Abgeltungssteuer. Die jährliche Freigrenze von 600 Euro für private Veräußerungsgeschäfte solltest du dabei beachten.
Die Dokumentationspflichten sind umfangreich. Jede Transaktion muss mit Datum, Uhrzeit, Menge, Kurs und Gebühren erfasst werden. Nutze spezialisierte Krypto-Steuer-Software oder führe eine detaillierte Excel-Dokumentation. Das FIFO-Prinzip (First-in-First-out) bestimmt, welche Coins bei einem Teilverkauf als veräußert gelten.
Vorsicht bei Staking und Lending: Diese Aktivitäten verlängern die Haltefrist auf zehn Jahre. Zusätzlich sind die Erträge aus Staking als sonstige Einkünfte zu versteuern. Plane deine Krypto-Strategie daher langfristig und behalte die steuerlichen Konsequenzen im Blick.
Depot-Strategien für verschiedene Karrierephasen
Berufsstart - Das Fundament legen
Als Assistenzärztin oder Assistenzarzt steht der Vermögensaufbau im Vordergrund. Mit einem monatlichen Sparplan von 500 Euro z.B. in einen thesaurierenden FTSE All World ETF kann man über 30 Jahre bei einer historischen 7% Rendite ein Vermögen von über 600.000 Euro aufbauen.
Steuerlich solltest du in dieser Phase den Sparer-Pauschbetrag optimal nutzen. Mit etwa 25.000 Euro in ausschüttenden ETFs (bei 4% Dividendenrendite) schöpfst du die 1.000 Euro Freibetrag aus. Darüber hinausgehendes Kapital investierst du in thesaurierende ETFs für maximalen Zinseszinseffekt.
Die Günstigerprüfung kann im ersten Berufsjahr erhebliche Vorteile bringen, besonders wenn du erst zur Jahresmitte anfängst zu arbeiten.
Konsolidierungsphase - Optimierung und Diversifikation
Als etablierte Fachärztin oder Facharzt mit höherem Einkommen rückt die Steueroptimierung stärker in den Fokus. Nutze verschiedene Depots für unterschiedliche Strategien: Ein Hauptdepot für langfristige Buy-and-Hold-Investments, ein separates für aktiveres Trading mit eigenem Verlusttopf.
Plane Verkäufe strategisch über Jahresgrenzen hinweg. Bei einem geplanten Verkauf mit 2.000 Euro Gewinn kannst du durch Aufteilung auf Dezember und Januar zweimal den Sparer-Pauschbetrag nutzen und so 280 Euro Steuern sparen.
Internationale Diversifikation wird wichtiger. Achte dabei auf die Quellensteuerproblematik und fülle notwendige Formulare rechtzeitig aus.
Vermögenssicherung und Ruhestand - Die Ernte einfahren
Im Ruhestand ändern sich die Prioritäten grundlegend. Regelmäßige Einkünfte werden wichtiger als maximales Wachstum. Eine teilweise Umschichtung von thesaurierenden auf ausschüttende Investments kann hier Sinn machen. Alternativ kannst du auch regelmäßig Anteile deiner thesaurierenden ETFs verkaufen.
Die Günstigerprüfung gewinnt wieder an Bedeutung, da dein Steuersatz im Ruhestand oft niedriger liegt als die 25% Abgeltungssteuer. Nutze dies gezielt aus.
Plane Entnahmen steueroptimiert: Verkaufe Positionen mit Verlust und Gewinn im selben Jahr zur Minimierung der Steuerlast. Der jährliche Sparer-Pauschbetrag sollte vollständig ausgeschöpft werden - im Ruhestand hast du die Zeit für diese Optimierung.
Dein konkreter 5-Punkte-Aktionsplan
Nach all der Theorie folgt hier dein praktischer Fahrplan zur Steueroptimierung:
Schritt 1: Überprüfe heute noch deine Freistellungsaufträge bei allen Banken. Stelle sicher, dass die Summe deinen Freibetrag nicht überschreitet und optimal verteilt ist.
Schritt 2: Erstelle eine Übersicht aller Wertpapierpositionen mit Kaufdatum und aktuellem Gewinn/Verlust. Diese Transparenz ist die Basis für strategische Entscheidungen.
Schritt 3: Falls du US-Aktien besitzt, prüfe sofort, ob das W-8BEN-Formular hinterlegt ist. Jeder Tag ohne dieses Formular kostet unnötig Geld.
Schritt 4: Plane einen festen Termin im November für deine Jahresend-Steueroptimierung. Prüfe Verlustverrechnungsmöglichkeiten und plane eventuelle Verkäufe.
Schritt 5: Beginne mit einer sauberen Dokumentation aller Transaktionen. Ein einfaches Excel-Sheet reicht für den Anfang völlig aus.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich Gewinne aus Aktien versteuern, die ich vor 2009 gekauft habe?
Nein, für Aktien, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, gilt Bestandsschutz. Gewinne aus dem Verkauf dieser "Altbestände" sind steuerfrei, unabhängig von der Haltedauer und Höhe des Gewinns. Wichtig: Du musst nachweisen können, dass die Aktien tatsächlich vor 2009 gekauft wurden. Bewahre daher alte Kaufbelege sorgfältig auf.
Kann ich Verluste aus Aktien mit Dividenden verrechnen?
Nein, das ist einer der häufigsten Irrtümer. Aktienverluste können ausschließlich mit Aktiengewinnen verrechnet werden, nicht mit Dividenden, Zinsen oder anderen Kapitalerträgen. Dividenden fallen in den allgemeinen Topf. Diese strikte Trennung gilt seit 2009 und hat schon viele Anleger überrascht.
Was passiert mit nicht genutzten Verlusten am Jahresende?
Nicht genutzte Verluste verfallen nicht! Deine Bank trägt sie automatisch ins nächste Jahr vor. Du kannst sie dann mit zukünftigen Gewinnen verrechnen. Diese Verlustvorträge bleiben unbegrenzt erhalten, bis sie vollständig genutzt wurden. Bei einem Depotwechsel musst du allerdings darauf achten, dass die Verlustvorträge übertragen werden.
Lohnt sich ein Freistellungsauftrag auch bei geringen Erträgen?
Absolut! Selbst wenn du nur 100 Euro Zinsen im Jahr erhältst, sparst du mit einem Freistellungsauftrag etwa 28 Euro Steuern. Die Einrichtung dauert nur wenige Minuten und gilt dauerhaft. Es gibt keinen Grund, auf diesen Vorteil zu verzichten.
Wie wird die Vorabpauschale bei negativem Basiszins berechnet?
Bei einem negativen Basiszins fällt keine Vorabpauschale an. Das war beispielsweise in den Jahren 2021 und 2022 der Fall. Thesaurierende Fonds waren in diesen Jahren komplett steuerfrei, solange sie nicht verkauft wurden. Ein schöner Vorteil für alle ETF-Sparer in der Niedrigzinsphase.
Kann ich die Abgeltungssteuer umgehen, wenn ich ins Ausland ziehe?
Das kommt auf das Zielland und das Doppelbesteuerungsabkommen an. Als deutscher Staatsbürger bleibst du oft noch eine gewisse Zeit in Deutschland steuerpflichtig. Bei einem echten Wegzug und Aufgabe des deutschen Wohnsitzes kann die deutsche Steuerpflicht enden, aber Vorsicht: Es droht eine "Wegzugsbesteuerung" auf nicht realisierte Gewinne. Lass dich unbedingt steuerlich beraten, bevor du solche Schritte planst.
Muss ich ETF-Sparpläne in der Steuererklärung angeben?
Wenn du ein Depot bei einer deutschen Bank hast, musst du normalerweise nichts angeben - die Bank führt die Steuern automatisch ab. Nur wenn du die Günstigerprüfung beantragen möchtest oder Verluste depotübergreifend verrechnen willst, musst du die Anlage KAP ausfüllen. Bei ausländischen Brokern sieht das anders aus: Hier bist du zur Angabe verpflichtet.
Was bedeutet "steuereinfacher" Broker?
Ein steuereinfacher Broker führt die Abgeltungssteuer automatisch ans deutsche Finanzamt ab und stellt eine deutsche Jahressteuerbescheinigung aus. Du musst dich um nichts kümmern. Nicht-steuereinfache Broker (meist ausländische Anbieter) führen keine deutsche Steuer ab. Du musst alle Gewinne selbst in der Steuererklärung angeben und die Steuer nachzahlen.
Kann ich Ordergebühren steuerlich absetzen?
Nein, seit 2009 können Werbungskosten nicht mehr von den Kapitalerträgen abgezogen werden. Ordergebühren, Depotgebühren und ähnliche Kosten sind im Sparer-Pauschbetrag bereits pauschal berücksichtigt. Eine separate Absetzung ist nicht möglich. Die Gebühren mindern allerdings deinen steuerpflichtigen Gewinn beim Verkauf, da sie den Veräußerungserlös reduzieren.
Fazit
Die Besteuerung von Kapitalerträgen in Deutschland mag komplex erscheinen, aber mit dem richtigen Wissen wird sie beherrschbar. Jeder Euro, den du legal an Steuern sparst, kann wieder für dich arbeiten und durch den Zinseszinseffekt zu beträchtlichen Summen anwachsen. Nach 20 Jahren macht das den Unterschied zwischen einem komfortablen und einem wirklich sorgenfreien Ruhestand.
Deine Herausforderung für heute: Nimm dir eine Stunde Zeit, gehe systematisch durch deine Depots und berechne dein konkretes Sparpotenzial. Die Investition dieser Stunde kann dir über die Jahre tausende Euro einbringen. Der beste Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt!
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