Praxis
IT-Sicherheit in der Arztpraxis: Umfassender Leitfaden
Lesedauer: 13 Minuten
27.11.2025
Darum geht's
Stell dir einmal folgende Situation vor: Es ist Montagmorgen, 8:15 Uhr. Deine erste Patientin wartet bereits, doch beim Einloggen ins Praxisverwaltungssystem erscheint eine rote Warnmeldung. Alle Dateien sind verschlüsselt, eine Lösegeldforderung über 50.000 Euro blinkt auf dem Bildschirm. Keine Patientenakten, keine Terminkalender, keine Abrechnungsdaten – der komplette Praxisbetrieb steht still.
Dieses Szenario ist keine Science-Fiction, sondern bittere Realität für immer mehr Arztpraxen in Deutschland. Die Digitalisierung hat uns auf der einen Seite elektronische Patientenakten, digitale Rezepte und effiziente Abrechnungssysteme gebracht. Auf der anderen Seite hat sie aber auch die Angriffsfläche für Cyberkriminelle vervielfacht.
Als Ärztin oder Arzt verwaltest du hochsensible Gesundheitsdaten – vom HIV-Status über psychotherapeutische Diagnosen bis zu Schwangerschaftsabbrüchen. Diese Informationen sind nicht nur medizinisch relevant, sondern können bei Bekanntwerden existenzielle Auswirkungen für deine Patientinnen und Patienten haben.
Die gute Nachricht: Mit einem durchdachten Sicherheitskonzept lässt sich das Risiko drastisch minimieren, ohne den Praxisalltag zu verkomplizieren. Dieser Leitfaden zeigt dir, wie du deine Praxis Schritt für Schritt absicherst – praxisnah, verständlich und umsetzbar.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Pflichten beim Datenschutz in der Arztpraxis
DSGVO und ärztliche Schweigepflicht
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) behandelt Gesundheitsdaten als hochsensible Informationen der Kategorie "besondere personenbezogene Daten" nach Art. 9 DSGVO. Das bedeutet in der Praxis: Die Diagnose "Diabetes" deiner Patientin unterliegt dem gleichen strengen Schutz wie ihre Krebsdiagnose oder psychotherapeutische Behandlung. Als Ärztin oder Arzt trägst du eine doppelte Verantwortung – die datenschutzrechtliche durch die DSGVO und die berufsrechtliche durch deine Schweigepflicht.
Ein Beispiel aus der Praxis: 2023 wurde eine Gemeinschaftspraxis in Nordrhein-Westfalen zu einem Bußgeld von 75.000 Euro verurteilt, weil Patientendaten durch unzureichende Sicherheitsmaßnahmen im Internet zugänglich waren. Der Schaden ging natürlich weit über das Bußgeld hinaus: Mehrere Patientinnen und Patienten reichten Schadensersatzklagen ein, die lokale Presse berichtete ausführlich, und viele Patientinnen und Patienten wechselte die Praxis.
Hier wird die Tragweite deutlich: Die DSGVO sieht Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vor. Selbst wenn diese Maximalstrafen für Arztpraxen theoretisch sind – Bußgelder zwischen 10.000 und 200.000 Euro können verhängt werden und eine Einzelpraxis an den Rand der Insolvenz bringen.
Die größte Herausforderung: Im Schadensfall liegt die Beweislast bei dir. Du musst nachweisen, dass du alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hast. Ohne lückenlose Dokumentation deiner IT-Sicherheitsmaßnahmen stehst du mit leeren Händen da.
Technisch-organisatorische Maßnahmen (TOM)
Art. 32 DSGVO verpflichtet dich zur Umsetzung technisch-organisatorischer Maßnahmen, die ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau gewährleisten. Diese Maßnahmen umfassen:
Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten
Sicherstellung der Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit der Systeme
Wiederherstellbarkeit von Daten nach technischen Zwischenfällen
Regelmäßige Überprüfung und Bewertung der Wirksamkeit
Die konkreten Anforderungen richten sich nach dem individuellen Risiko deiner Praxis. Faktoren wie Praxisgröße, Art der verarbeiteten Daten, Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eingesetzte Technologien bestimmen den Umfang der notwendigen Maßnahmen.
Als Praxisinhaberin oder Praxisinhaber musst du deine TOM schriftlich dokumentieren und regelmäßig aktualisieren. Die Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Datenschutzbeauftragten ist ab 20 Mitarbeitenden, die ständig mit personenbezogenen Daten arbeiten, verpflichtend – wird aber auch kleineren Praxen dringend empfohlen. Ein externer Datenschutzbeauftragter kann dich bei der rechtssicheren Umsetzung unterstützen und dir im Schadensfall wichtige Argumente liefern.
Zentrale Bedrohungsszenarien für Arztpraxen
Ransomware und Cyberangriffe
Ransomware-Angriffe stellen die aktuell größte Bedrohung für Arztpraxen dar. Ein hypothetisches Beispiel: Eine orthopädische Gemeinschaftspraxis in Bayern wurde an einem Freitagabend Opfer eines Ransomware-Angriffs. Die medizinische Fachangestellte hatte eine E-Mail mit dem Betreff "Rechnung von Labor Dr. Müller" geöffnet und unwissentlich die Schadsoftware aktiviert. Über das Wochenende verschlüsselte die Malware sämtliche Daten auf dem Server und allen verbundenen Rechnern.
Montagmorgen dann das böse Erwachen: 78 Patientinnen und Patienten mussten nach Hause geschickt werden. Keine Röntgenbilder, keine OP-Pläne, keine Medikationslisten mehr zugänglich. Die Lösegeldforderung: 30.000 Euro in Form einer Kryptowährung, Frist 72 Stunden. Die Praxis zahlte – und erhielt trotzdem nur teilweise entschlüsselte Daten. Der Gesamtschaden: über 120.000 Euro durch Betriebsausfall, IT-Forensik, Neuaufbau der Systeme und entgangene Umsätze. Drei Monate später war die Praxis immer noch nicht vollständig wiederhergestellt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut einer Studie war 2023 jede vierte Arztpraxis in Deutschland von Cyberangriffen betroffen. Das Gesundheitswesen rangiert damit auf Platz 2 der am häufigsten angegriffenen Branchen – direkt nach Finanzdienstleistern. Der Grund: Arztpraxen verfügen oft über veraltete IT-Infrastruktur, haben knappe Budgets für Sicherheitsmaßnahmen, aber verwalten hochsensible Daten, die auf dem Schwarzmarkt Höchstpreise erzielen.
Besonders perfide: Moderne Ransomware verwendet die Double-Extortion-Methode. Dabei werden deine Daten nicht nur verschlüsselt, sondern vorher auch kopiert und mit Veröffentlichung im Darknet gedroht. Selbst wenn du ein funktionierendes Backup hast, bleibt die Erpressung bestehen. Medizinische Daten von Politikerinnen, Prominenten oder Menschen mit stigmatisierten Erkrankungen werden gezielt für zusätzlichen Druck genutzt.
Datenverlust und Systemausfälle
Nicht immer sind Cyberkriminelle die Ursache für IT-Desaster. Manchmal reicht ein simpler Hardwaredefekt oder ein unglücklicher Moment der Unachtsamkeit. Ein Kollege aus dem Finanzskalpell® Circle erlebte dies hautnah: Während einer routinemäßigen Serverreinigung beschädigte ein Techniker versehentlich die Festplatte. Der Schaden schien zunächst minimal, doch innerhalb von 48 Stunden fielen beide redundanten Festplatten im RAID-Verbund aus – ein statistisch extrem seltenes, aber mögliches Szenario. Das letzte Backup? Drei Wochen alt, da das automatische Backup-System unbemerkt defekt war.
Der Preis: Drei Wochen Patientendaten unwiederbringlich verloren. Welche Medikamente hatte Herr Müller verschrieben bekommen? Welche Laborwerte lagen bei Frau Weber vor? Welche Überweisungen waren ausgestellt? Die Rekonstruktion aus Papierunterlagen, Apothekenabfragen und Nachfragen bei Patientinnen und Patienten kostete nicht nur 40 Arbeitsstunden zusätzlich, sondern beschädigte auch nachhaltig das Vertrauen.
Weitere Risikofaktoren, die oft unterschätzt werden:
Versehentliches Löschen durch Mitarbeitende (besonders bei neuen Mitarbeitern)
Fehlerhafte Software-Updates, die Datenbanken beschädigen
Stromausfälle ohne unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV)
Wasserschäden durch Rohrbrüche oder Überschwemmungen im Serverraum
Diebstahl von Laptops oder mobilen Datenträgern
Die Auswirkungen auf die Patientenversorgung können gravierend sein: Stell dir eine Diabetikerin vor, die in der Notaufnahme landet, und deren gesamte Medikationshistorie fehlt. Oder einen Krebspatienten, dessen kompletter Behandlungsverlauf nicht mehr nachvollziehbar ist. In solchen Momenten wird IT-Sicherheit zu einem medizinischen Qualitätsfaktor.
Wirtschaftlich schmerzt jede Stunde Praxisausfall doppelt: Entgangene Behandlungseinnahmen treffen auf steigende Wiederherstellungskosten. Der durchschnittliche Schaden eines mehrtägigen IT-Ausfalls für eine Gemeinschaftspraxis kann schnell 15000 bis 50000 Euro erreichen – ohne Reputationsschäden einzurechnen.
Grundlegende Sicherheitsmaßnahmen für die Cybersicherheit in der Arztpraxis
Technische Infrastruktur absichern
Eine robuste technische Infrastruktur bildet das Fundament deiner IT-Sicherheit. Das kannst du dir wie Sicherheitsmaßnahmen bei einem Gebäude vorstellen: Schlösser, Alarmanlagen und Brandschutztüren arbeiten zusammen, um Schutz zu gewährleisten.
Firewall und Netzwerksegmentierung: Eine professionelle Firewall ist dein digitaler Türsteher – sie entscheidet, welche Datenpakete ins Netzwerk dürfen und welche draußen bleiben. Moderne Next-Generation-Firewalls gehen noch weiter: Sie analysieren den Datenverkehr, erkennen verdächtige Muster und blockieren Angriffe automatisch. Kosten: ab 800 Euro für kleinere Praxen, 2.000-5.000 Euro für größere Einheiten.
Die Netzwerksegmentierung trennt verschiedene Bereiche deiner IT-Infrastruktur voneinander ab. Praktisches Beispiel: Das öffentliche WLAN für wartende Patientinnen und Patienten läuft in einem komplett isolierten Netzwerk. Selbst wenn jemand über dieses WLAN einen Angriff startet, kommt er nicht an deine Praxisverwaltung heran. Ebenso sollten medizinische Geräte wie digitale Röntgensysteme oder EKG-Geräte in einem eigenen Segment laufen.
Verschlüsselung – unlesbar für Unbefugte: Verschlüsselung verwandelt deine Daten in unlesbaren Zeichensalat, der nur mit dem richtigen Schlüssel entschlüsselt werden kann. Zwei zentrale Anwendungsbereiche:
Data at Rest (ruhende Daten): Die Festplattenverschlüsselung mit BitLocker (Windows) oder FileVault (Mac) schützt vor Datendiebstahl bei Verlust oder Diebstahl von Geräten. Ein Laptop mit unverschlüsselten Patientendaten im Auto? Ein DSGVO-Albtraum mit praktisch garantiertem Bußgeld. Mit Verschlüsselung? Die Daten bleiben selbst für Profis unzugänglich.
Data in Transit (Daten bei Übertragung): Wenn du von zuhause auf dein Praxissystem zugreifst, sollte dies nur über ein VPN (Virtual Private Network)* geschehen. Die Verbindung wird verschlüsselt, als würdest du durch einen sicheren Tunnel kommunizieren. Auch E-Mails mit Patientenbezug müssen verschlüsselt werden – hier empfiehlt sich die Nutzung spezialisierter Dienste für medizinische Kommunikation.
Updates und Patch-Management – schließe die Hintertüren: Der WannaCry-Angriff 2017 legte weltweit Krankenhäuser lahm – durch eine Sicherheitslücke, für die Microsoft bereits Monate zuvor ein Update bereitgestellt hatte. Veraltete Software ist wie ein offenes Fenster im Erdgeschoss: Eine Einladung für Einbrecher.
Ein funktionierendes Patch-Management bedeutet:
Automatische Updates für Betriebssysteme (Windows, macOS) aktivieren
Wöchentliche manuelle Prüfung kritischer Systeme wie Praxisverwaltungssoftware
Test-Updates bei kritischen Systemen zunächst auf einem Zweitgerät
Dokumentation aller durchgeführten Updates (wichtig für DSGVO-Nachweis)
Endpoint Protection – mehr als klassischer Virenschutz: Die Zeiten, in denen ein einfaches Antivirenprogramm ausreichte, sind vorbei. Moderne Endpoint-Detection-and-Response-Lösungen (EDR) funktionieren wie ein intelligenter Wachmann: Sie beobachten das Verhalten von Programmen und schlagen Alarm, wenn etwas ungewöhnlich ist – selbst bei bisher unbekannten Schädlingen.
Ein Beispiel: Eine medizinische Fachangestellte öffnet eine infizierte Excel-Datei. Das EDR-System erkennt, dass das Excel-Programm plötzlich ungewöhnlich viele Dateien verschlüsseln will – ein typisches Ransomware-Muster. Die Software stoppt den Prozess sofort, isoliert den Rechner vom Netzwerk und alarmiert den Administrator. Empfehlenswerte Lösungen: Microsoft Defender for Endpoint*, Bitdefender GravityZone, oder Sophos Intercept X (Kosten: 40-80 Euro pro Arbeitsplatz/Jahr).
Backup-Strategie entwickeln
Eine durchdachte Backup-Strategie ist deine Lebensversicherung im digitalen Zeitalter. Selbst die beste Firewall kann versagen, selbst wachsamste Mitarbeitende können Fehler machen – ein aktuelles, funktionierendes Backup macht dich im Ernstfall handlungsfähig.
Die 3-2-1-Regel – dein Sicherheitsnetz: Diese Regel hat sich weltweit als Goldstandard etabliert und ist einfach zu merken:
3 Kopien deiner Daten: Die Originaldaten plus zwei Backups. Wenn eine Kopie ausfällt, hast du noch zwei weitere.
2 verschiedene Medientypen: Niemals alle Eier in einen Korb. Beispiel für eine typische Praxis:
Original: Daten auf dem Praxisserver (SSD-Festplatten)
Backup 1: NAS-System* (Network Attached Storage) im Praxisschrank
Backup 2: Cloud-Backup oder externe Festplatte an einem anderen Standort
1 Kopie außerhalb (offsite): Ein Brand, ein Wasserschaden oder ein Einbruch kann alle Geräte in deiner Praxis zerstören oder entwenden. Das externe Backup rettet dich. Möglichkeiten: Cloud-Speicher bei zertifizierten Anbietern (wichtig: Server-Standort Deutschland wegen DSGVO) oder eine verschlüsselte externe Festplatte im Tresor oder Bankschließfach.
Automatisierung ist der Schlüssel: Manuelle Backups werden vergessen – garantiert. Die Lösung: Automatisierte tägliche inkrementelle Backups, die nur die Änderungen zum Vortag sichern (spart Zeit und Speicherplatz), kombiniert mit wöchentlichen Vollsicherungen aller Daten.
Konkrete Empfehlung für eine Praxis mit 5 Mitarbeitenden:
Täglich um 20 Uhr: Automatisches inkrementelles Backup aller Patientendaten und Änderungen
Jeden Sonntag um 22 Uhr: Vollsicherung des kompletten Systems
Speicherdauer: 30 Tage rollierend (älteste Backups werden überschrieben)
Zusätzlich: Quartalsweise Archiv-Backups für langfristige Aufbewahrung
Offline-Backups gegen Ransomware: Hier wird es clever: Moderne Ransomware sucht aktiv nach Backup-Systemen im Netzwerk und verschlüsselt diese mit. Die Lösung sind air-gapped Backups – Sicherungen, die physisch vom Netzwerk getrennt sind. In der Praxis bedeutet das:
Externe USB-Festplatte, die nur für das Backup angeschlossen wird
NAS-System mit Snapshots, die nur lesend zugänglich sind
Cloud-Backup mit versionierter Speicherung und Löschschutz
Ein Praxisbeispiel: Dr. Schneider nutzt zwei externe 4-TB-Festplatten im Wechsel. Montags, mittwochs und freitags steckt Festplatte A am Server, dienstags und donnerstags Festplatte B. Die jeweils nicht angeschlossene Festplatte liegt im Tresor – unerreichbar für jede Schadsoftware.
Was oft vergessen wird: Wiederherstellungstests
Stell dir vor, dein Server geht in Rauch auf und du stellst bei der Wiederherstellung fest: Die Cloud-Backups sind defekt. Genau das passiert häufiger als gedacht. Die Lösung: Quartalsweise Wiederherstellungstests.
Praktische Umsetzung (dauert ca. 30 Minuten):
Wähle zufällig 5-10 Patientenakten aus
Stelle diese aus dem Backup wieder her (auf einem Testrechner, nicht im Produktivsystem)
Prüfe Vollständigkeit und Lesbarkeit
Dokumentiere das Ergebnis
Bei Problemen: Sofortige Fehlerbehebung
Diese Tests haben schon unzählige Praxen vor dem Totalverlust der Daten bewahrt. Sie decken fehlerhafte Konfigurationen, beschädigte Backup-Medien oder inkompatible Software-Versionen auf – bevor es zu spät ist.
Organisatorische Sicherheitskonzepte
Zugriffsmanagement und Berechtigungskonzepte
Nicht jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter benötigt Zugriff auf alle Daten. Ein rollenbasiertes Zugriffskontrollsystem stellt sicher, dass Personen nur auf die Informationen zugreifen können, die sie für ihre Arbeit tatsächlich benötigen. Die medizinische Fachangestellte am Empfang benötigt Zugriff auf Terminkalender und Abrechnungsdaten, nicht aber auf detaillierte Behandlungsverläufe. Eine Assistenzärztin in deiner Praxis braucht Zugriff auf medizinische Akten, aber nicht auf Gehaltsabrechnungen.
Sorge für strikte Passwortrichtlinien: Mindestens 12 Zeichen, Kombination aus Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Passwortmanager erleichtern die Verwaltung sicherer Passwörter. Noch wichtiger: Aktiviere die Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) für alle kritischen Systeme. Selbst wenn ein Passwort kompromittiert wird, verhindert der zweite Faktor unbefugten Zugriff. Das geht z.B. mittels FIDO-2-USB-Stick*.
Die strikte Trennung von privater und beruflicher IT-Nutzung ist essentiell. Private E-Mails, Social Media oder Online-Shopping auf Praxiscomputern erhöhen das Sicherheitsrisiko erheblich. Stelle klare Nutzungsregeln auf und kommuniziere diese deutlich an dein Team.
Mitarbeiterschulung als Schlüsselfaktor für die Cybersicherheit in der Arztpraxis
Die beste technische Sicherheitsinfrastruktur nützt wenig, wenn deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbewusst Sicherheitslücken öffnen. Security Awareness – das Bewusstsein für IT-Sicherheitsrisiken – ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Phishing-Angriffe sind nach wie vor der häufigste Angriffsvektor. In täuschend echt aussehenden E-Mails werden Mitarbeitende aufgefordert, auf Links zu klicken oder Anhänge zu öffnen. Schule dein Team darin, verdächtige E-Mails zu erkennen: unerwartete Absender, Rechtschreibfehler, ungewöhnliche Aufforderungen oder Zeitdruck sind typische Warnsignale.
Organisiere regelmäßige Schulungen – mindestens zweimal jährlich. Themen sollten umfassen: sicherer Umgang mit Passwörtern, Erkennen von Phishing, korrektes Verhalten bei Sicherheitsvorfällen, Datenschutzgrundsätze und sichere Nutzung mobiler Geräte. Simulierte Phishing-Tests können das Bewusstsein zusätzlich schärfen.
Schaffe eine Kultur der offenen Kommunikation bei Sicherheitsvorfällen. Mitarbeitende müssen ohne Angst vor negativen Konsequenzen melden können, wenn sie versehentlich auf einen Phishing-Link geklickt oder einen USB-Stick gefunden und angeschlossen haben. Nur dann kannst du schnell reagieren und Schäden begrenzen.
Praktische Umsetzung und Priorisierung
Die Vielzahl notwendiger Sicherheitsmaßnahmen kann am Anfang überwältigend wirken. Eine stufenweise Umsetzung macht das Projekt handhabbar.
Sofortmaßnahmen (Woche 1-2): Aktivierung automatischer Updates, Installation/Aktualisierung von Antivirensoftware, Einrichtung erster Backups, Änderung schwacher Passwörter
Kurzfristige Maßnahmen (Monat 1-3): Implementierung einer Firewall, Etablierung einer Backup-Strategie nach 3-2-1-Regel, erste Mitarbeiterschulung, Dokumentation der TOM
Mittelfristige Projekte (Monat 3-6): Einführung von Zwei-Faktor-Authentifizierung, Verschlüsselung sensibler Daten, Entwicklung eines Notfallplans, externe Sicherheitsüberprüfung
Langfristige Optimierung (fortlaufend): Regelmäßige Schulungen, kontinuierliche Verbesserung der Prozesse, Anpassung an neue Bedrohungen
Die Zusammenarbeit mit spezialisierten IT-Dienstleistern ist für die meisten Praxen unverzichtbar. Achte bei der Auswahl auf Erfahrung im Gesundheitswesen und Kenntnis der besonderen Anforderungen. Ein guter IT-Partner unterstützt dich nicht nur bei der technischen Umsetzung, sondern berät dich auch strategisch.
Zertifizierungen und externe Audits können die Sicherheit deiner Praxis objektiv bewerten. Das Prüfsiegel "IT-Sicherheit im Gesundheitswesen" der KBV oder Audits nach ISO 27001 schaffen Transparenz und können im Schadensfall deine Sorgfaltspflicht nachweisen.
Bei der Kosten-Nutzen-Betrachtung solltest du IT-Sicherheit als Investition verstehen, nicht als Kostenfaktor. Die Ausgaben für präventive Maßnahmen sind ein Bruchteil der Kosten, die ein Sicherheitsvorfall verursachen kann. Rechne mit etwa 2-5 Prozent deines IT-Budgets für Sicherheitsmaßnahmen – abhängig von Praxisgröße und bereits vorhandener Infrastruktur.
Fazit
IT-Sicherheit in der Arztpraxis ist keine optionale Zusatzleistung, sondern eine fundamentale Voraussetzung für die verantwortungsvolle Führung einer modernen Praxis. Die rechtlichen Anforderungen sind klar, die Bedrohungslage real und die möglichen Konsequenzen von Sicherheitsvorfällen gravierend.
Die gute Nachricht: Mit einem systematischen Ansatz, klaren Prioritäten und der richtigen Unterstützung lässt sich ein wirksames Sicherheitskonzept aufbauen. Der Schlüssel liegt dabei in der Kombination technischer Maßnahmen, organisatorischer Prozesse und einem sicherheitsbewussten Team.
Verstehe IT-Sicherheit als kontinuierlichen Prozess. Die Bedrohungslandschaft entwickelt sich ständig weiter, neue Angriffsformen entstehen, und auch deine Praxis verändert sich. Regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen deines Sicherheitskonzepts sind daher unerlässlich.
Investiere heute in die Sicherheit deiner Praxis – deine Patientinnen und Patienten vertrauen dir ihre sensibelsten Daten an. Dieses Vertrauen zu schützen ist nicht nur eine rechtliche Pflicht, sondern auch ein zentraler Bestandteil deiner ärztlichen Verantwortung.
FAQ - Häufige Fragen zur IT-Sicherheit
Wie viel Budget sollte ich für IT-Sicherheit einplanen?
Als Faustregel solltest du 2-5 Prozent deines gesamten IT-Budgets für Sicherheitsmaßnahmen einplanen. Für eine kleinere Einzelpraxis bedeutet dies etwa 1.500-3.000 Euro jährlich, für eine Gemeinschaftspraxis mit 5-10 Mitarbeitenden entsprechend 3.000-8.000 Euro.
In dieser Kalkulation sind laufende Kosten für Software-Lizenzen, externe IT-Dienstleistungen, Schulungen und Hardware-Komponenten enthalten. Die Anfangsinvestition für die Grundausstattung kann höher ausfallen, amortisiert sich aber durch die Vermeidung eines einzigen größeren Sicherheitsvorfalls.
Brauche ich als Einzelpraxis einen Datenschutzbeauftragten?
Rechtlich verpflichtend ist ein Datenschutzbeauftragter ab 20 Personen, die ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Für kleinere Praxen ist die Bestellung jedoch dringend empfohlen.
Ein externer Datenschutzbeauftragter kostet je nach Leistungsumfang zwischen 800 und 2.500 Euro jährlich und unterstützt dich bei der rechtssicheren Umsetzung aller Datenschutzanforderungen. Im Schadensfall kann die professionelle Beratung und Dokumentation durch einen Datenschutzbeauftragten entlastend wirken und Bußgelder reduzieren.
Wie oft sollten Backups durchgeführt werden?
Für Arztpraxen empfehlen sich tägliche inkrementelle Backups, die nur die Änderungen zum Vortag sichern, sowie wöchentliche Vollsicherungen aller Daten. Besonders kritische Systeme, etwa die Praxisverwaltungssoftware, sollten sogar mehrmals täglich gesichert werden.
Entscheidend ist auch die Aufbewahrungsdauer: Behalte mehrere Generationen von Backups, um auf verschiedene Zeitpunkte zurückgreifen zu können. Ein 30-Tage-Backup-Fenster hat sich bewährt. Teste quartalsweise die Wiederherstellung, um die Funktionsfähigkeit zu garantieren.
Was mache ich im Falle eines Cyberangriffs?
Bewahre Ruhe und folge diesen Schritten:
Isoliere betroffene Systeme sofort vom Netzwerk, um eine Ausbreitung zu verhindern.
Informiere deinen IT-Dienstleister und – bei Ransomware oder Datenlecks – auch deinen Datenschutzbeauftragten.
Dokumentiere alle Beobachtungen und Maßnahmen.
Melde den Vorfall innerhalb von 72 Stunden der zuständigen Datenschutzbehörde, falls personenbezogene Daten betroffen sind.
Zahle kein Lösegeld ohne professionelle Beratung.
Nutze deine Backups zur Wiederherstellung. Ein vorbereiteter Notfallplan mit Kontaktdaten und Handlungsanweisungen sollte griffbereit sein.
Kann ich als Nicht-IT-Experte die Sicherheit meiner Praxis überhaupt bewerten?
Du musst kein IT-Experte sein, solltest aber die grundlegenden Sicherheitsanforderungen kennen und die richtigen Fragen stellen. Ein externer Sicherheitsaudit durch spezialisierte Dienstleister verschafft dir objektive Klarheit über den Status quo deiner Praxis-IT.
Solche Audits kosten zwischen 1.500 und 5.000 Euro, abhängig von Praxisgröße und Umfang. Der resultierende Bericht zeigt Schwachstellen auf und priorisiert Handlungsempfehlungen. Die Zusammenarbeit mit einem vertrauenswürdigen IT-Dienstleister, der deine Fragen in verständlicher Sprache beantwortet, ist für die langfristige Sicherheit deiner Praxis unverzichtbar.
Herausforderung, aber mit dem richtigen Vorgehen kannst du den Schaden minimieren und das Vertrauen deiner Patienten erhalten oder wiederherstellen.
Macht eine Cyberversicherung für die Arztpraxis Sinn?
Eine Cyberversicherung, auch Cyber-Risikoversicherung genannt, bietet Schutz vor den finanziellen Folgen von Cyberangriffen. Dazu zählen beispielsweise Kosten, die durch Datenverlust, Systemausfälle, die Wiederherstellung von Systemen und Daten, rechtliche Streitigkeiten und Ansprüche Dritter entstehen können. Einige Policen decken sogar die Kosten für Krisenkommunikation und das Management des Rufs nach einem Datenleck ab.
Was sollte man bei der Auswahl einer Cyberversicherung beachten?
Deckungsumfang: Prüfe genau, welche Risiken abgedeckt sind. Nicht jede Police deckt alle denkbaren Szenarien ab.
Selbstbeteiligung: Wie hoch ist der Eigenanteil im Schadensfall?
Spezialisierung auf den Gesundheitssektor: Einige Anbieter haben sich auf den medizinischen Bereich spezialisiert und bieten maßgeschneiderte Lösungen an.
Unterstützungsleistungen: Welche Unterstützung bietet die Versicherung im Schadensfall? Gibt es Zugang zu IT-Forensikern, Rechtsberatung und Krisenkommunikationsexperten?
Eine Cyberversicherung ersetzt keine Cybersicherheitsmaßnahmen, sondern ergänzt diese. Zu einer Zeit, in der das Risiko für Cyberangriffe ständig wächst, kann eine solche Versicherung eine wertvolle Investition sein.
Mehr zum Thema Versicherungen findest du auch in unserem Ratgeber Versicherungen.
Weiterführende Ressourcen
Wenn du dich eingehender mit dem Thema Cybersicherheit beschäftigen möchtest, bieten folgende Bücher einen guten Einstiegspunkt.
IT-Sicherheit für Dummies* von Rainer W. Gerling und Sebastian R. Gerling
The Human Firewall: Wie eine Kultur der Cyber-Sicherheit geschaffen wird* von Florian Jörgens
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